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Anlageberatung in Banken – Insights eines Bankmitarbeiters

Geschrieben von Sven Stopka | 21. November 2022

Mein Interviewgast Mike ist aktiver Banker und verrät in diesem Beitrag Insights zum Thema Anlageberatung und den aktuellen Geschäftsmodellen von Banken. Du erfährst wichtige Details, die du als Anleger nicht verpassen solltest.

Mike verfolgt meinen Finanzpodcast schon etwas länger, ist mit mir in Kontakt getreten und der perfekte Interviewgast für das heutige Thema. Mike ist Bankberater bei einer kleinen, mittelständischen Sparkasse in Niedersachsen und 25 Jahre alt.


Versicherungsprodukte in der Anlageberatung einer Bank

Normalerweise geht man davon aus, dass Banker allgemein sehr affin sind, was Finanzen betrifft. Ob wirklich jeder über tiefgreifendes Finanzwissen verfügt, ist schwer zu sagen. Mike hat bereits in der Ausbildung realisiert, dass das Thema Bank sehr viele Unterthemen hat, die nur grob oder gar nicht behandelt werden. Gerade Nischen-Themen kommen oft zu kurz.

In Banken werden heute im Zuge einer Anlageberatung auch Versicherungsprodukte angeboten. Das geht über die Privathaftpflicht, Berufsunfähigkeitsversicherung, fondsgebundene Rentenversicherung etc.


Was lernen Bankberater in der Ausbildung zu Versicherungsprodukten?

Mike: Ich habe dazu etwas gelernt, aber nicht im Rahmen der Ausbildung. Für die Ausbildungsordnung, also das, was für die Prüfung relevant ist, ist das Thema Versicherungen irrelevant. Anlageprodukte, wie etwa eine Kapitallebensversicherung kommen durchaus vor, damit man in der Lage ist, eine Kalkulation durchzuführen und zu errechnen, was die Bank daran verdient. Tiefgreifendes Wissen, wie Versicherungsrecht, war bei uns über interne Seminare möglich. Bei der Sparkasse wird hauptsächlich über die Provinzial gecoacht.


Realtalk – Vorgaben in der Anlageberatung

Es gibt Gerüchte dazu, dass Bankmitarbeiter dazu genötigt werden, Standardprodukte in Anlageberatungen zu verkaufen, auch wenn sie ihr Wissen dazu nur in einem Crashkurs vermittelt bekommen haben, egal, ob das Produkt für den Kunden sinnvoll ist.

Mike: Banken haben feste Partner und dadurch beschränkt sich natürlich die Auswahl. Die Bank wählt aus, welche Produkte sie für sinnvoll und profitabel erachtet. Es handelt sich dabei schon eher um standardisierte Produkte. Es gibt sicherlich einige Berater, die einem Kunden Versicherungen ohne Mehrwert verkauft haben, extrem im Bereich der Riesterverträge, aber auch bei Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherungen. Aktuell bekomme ich aber eher seltener etwas zu Riesterverträgen mit. Es geht dann eher um alte Verträge, zu denen trotz Gehaltssteigerungen lange keine Anpassungen vorgenommen wurden.


Gibt es Quartals-Vorgaben, die zu erfüllen sind?

Mike: Ja, das kann ich bestätigen. Bei uns gibt es Halbjahres- oder Jahresvorgaben. Einerseits in Bezug auf Versicherungen, natürlich aber auch für das Kredit- und Anlagegeschäft. Hier wird mit zusätzlichen Bonifikationen und extra Urlaubstagen gearbeitet. Das kommt ganz auf die Bank an. Wir sprechen ja hier über die mittelständischen und kleineren Banken. Direkte Provision für Versicherungen an die Berater zahlen, meines Wissens, nur noch wenige Banken.


Wird Bankmitarbeitern vorgegeben, welche Fonds sie verkaufen sollen?

Ich höre vermehrt, dass von oben, bei der Deka, vorgegeben wird, welche Fonds überhaupt verkauft werden dürfen. Es gibt eine interne Liste, in der es heißt „Diese Fonds müssen aktuell verkauft werden. Wir brauchen das Volumen XY, bis zu dem Zeitpunkt XY.“

Mike: Ich glaube, das geht eher in Richtung Immobilienfonds. Bei den Sparkassen wird das über Kontingente geregelt. Der Sparkasse wird entsprechend eine bestimmte Summe X an Millionen an Fonds zugeteilt und dieses Kontingent soll dann in einer bestimmten Zeit an die Kunden vertrieben werden, bis alle Anteile verkauft worden sind. Hier besteht aber auch durchaus kundenseitige Nachfrage. Immobilienfonds werden als sehr sichere Anlage gesehen, zumindest wenn wir über aktive oder offene Beteiligungen reden, nicht über geschlossene Immobilienbeteiligungen. Immobilienpreise steigen aktuell immer noch und Kunden können sich Immobilien eher identifizieren, als oft mit Aktien vom Unternehmen XY.


Aktive und passive Investments in der Anlageberatung

Die Sparkassen haben die Deka als Verbundpartner und die Volksbank, die Union Investment. Dürft ihr auch andere Produkte verkaufen? Und dürft ihr als Banker auch passive Investments empfehlen und verkaufen?

Mike: Natürlich hat die Bank eher ein Interesse daran, ein aktives Produkt zu verkaufen, bei dem ein Gewinn für die Bank generiert werden kann. Die Sparkasse bietet hauptsächlich Produkte der Deka an. Das hat auch den Hintergrund, dass die Sparkasse natürlich als Eigentümer der Deka über ihren Hauptverband bonifiziert wird und Ausschüttungen von der Deka selbst bekommt, wenn es ordentliche Erträge gab. Es gibt durchaus auch verschiedene andere Fondsgesellschaften, die genutzt werden.

Passive Produkte für normale Privatkunden werden eigentlich nicht angeboten. Großkunden mit einem hohen Anlagevolumen leiten wir in so einem Fall weiter an Family-Offices. Dort wird über eine Vermögensverwaltung durchaus mit passiven Fonds oder ETFs gearbeitet.

Normal raten wir von passiven Produkten ab, weil der aktive Fondsmanager in der Krise jetzt besser steuern kann. Ob der aktive Fonds besser als der passive läuft, ist natürlich Vergleichs-Sache. Mathematisch lässt sich aktuell eher sagen, dass passive Fonds besser laufen, auf lange Sicht gesehen. Aus Sicht der Bank wird trotzdem der Verkauf von aktiven Fonds bevorzugt wegen der jährlichen Gebühren, welche bei ETFs, wenn überhaupt, verhältnismäßig klein sind.


Offenheit mit Kickback-Provisionen in der Anlageberatung

Banken werden also an gewissen Ausschüttungen beteiligt, wenn entsprechend Erträge erzielt wurden. Man finanziert sich als Bank wohl über den Ausgabeaufschlag, der zu Beginn anfällt, wenn Geld investiert wird oder eben ratierlich über einen Sparplan. Wie ist das mit den Kickback Provisionen?

Mike: Kickback-Provision werden dem Kunden, meines Wissens, normalerweise nicht direkt offengelegt. Das passiert eher selten. In einem Gespräch, bei dem ich im Laufe der Ausbildung mal dabei war, ist es Thema gewesen. Der Kunde selbst, der bei einer Versicherung angestellt war, hat es angesprochen. Wenn der Kunde nachfragt, glaube ich, kommen Berater hier schnell in Erklärungsnot. Zumindest ein angestellter Berater, der damit wenig zu tun hat.


Welche Konsequenz haben Stornos auf Zielvorgaben?

Durch die Corona-Pandemie sind viele von Kurzarbeit oder gar Jobverlust betroffen und habe ihre Verträge stillgelegt oder gekündigt. Kündigt ein Kunde seinen Riester-, Bausparvertrag oder auch seinen Kredit, können Stornohaftungen dazu führen, dass Provisionsanteile zurückgezahlt werden müssen. Die Frage ist, ob die Differenz nachgeholt werden muss oder wird sie neutralisiert?

Mike: Ich habe Jahresziele. Widerruft ein Kunde seinen Kredit nach ein, zwei Tagen, was sein gutes Recht ist, wird er einfach wieder aus dem System genommen. Wenn der Kunde nach einem halben Jahr oder Jahr kündigt, dann sind mir die Beträge aber trotzdem eingerechnet worden. Ich habe also nicht mit einer Stornohaftung zu kämpfen, wie es ein Selbständiger oder freier Vertriebler hat.


Zertifikate in der Anlageberatung

Ich behaupte, dass niemand, außer er arbeitet in der Anlageberatung auf Provisionsbasis, überhaupt ein Zertifikat anbieten würde. Mir wurde kürzlich erst aus der Branche zugetragen, dass Zertifikate Papiere für den Provisionsvertrieb sind und jedes Jahr ein Milliardengeschäft einbringen.


Warum verkaufen Sparkassen immer mehr Zertifikate, anstatt Fonds?

Mike: Das kann ich bestätigen. Es gab Anfang letzten Monats einen guten Bericht von der Finanzszene hierzu. Darin heißt es, dass die Deka der größte Zertifikat-Emittent in Deutschland ist. Es gibt viele verschiedene Arten von Zertifikaten. Was hauptsächlich angeboten wird, sind klassische Express-Zertifikate. Diese sind verhältnismäßig einfach für den Kunden zu verstehen. Den Vorteil, den die Bank aus Zertifikaten zieht, ist, man hat meistens einen Ausgabeaufschlag, sprich, bei Abschluss direkt eine Gebühr. Es wird dann einmal im Jahr überprüft, ob eine Auszahlung erfolgt, oder ob ein Jahr weiter gesammelt wird. Sollte es frühzeitig zur Auszahlung kommen, hat der Bankberater direkt die Möglichkeit, in der Anlageberatung eine weiterführende Anlage zu empfehlen und generiert somit weiter regelmäßige Gebühren, selbst wenn es für den Kunden gut läuft.


Welchen Vorteil hat ein Zertifikat für einen Anleger?

Alle Anleger von Zertifikaten haben 2008, durch die Pleite von Lehman Brothers ihr Geld zu 100 % verloren. Zertifikate sind meines Erachtens Zockerpapiere, eine Schuldverschreibung. Du gibst einen Kredit an einen Herausgeber, du hast keine Eigentums- und keine Aktionärsrechte. Es sind sehr komplexe Finanzinstrumente. Die Emittenten, sprich Herausgeber, sind in der Gestaltung der Eigenschaften frei. Die genaue Funktionsweise ist häufig schwierig zu verstehen für einen Privatanleger. Ein Zertifikat hat nichts in einem privaten Portfolio zu suchen.

Mike: Der einzige Vorteil, der aus Zertifikaten zu ziehen ist, man kann eine sehr individuelle Anlagestrategie daraus basteln. Dazu sollte man die Zertifikate aber auch wirklich verstanden haben. Die meisten Berater verstehen sie oberflächlich, aber die tiefgreifende Mathematik, die dahintersteht, die derivative Komponente, ist sehr komplex.

Sven: „Mit einem Zertifikat trägst du ein Totalverlustrisiko. Du hast das Risiko hoher Kosten, ein Kursänderungsrisiko, ein Zins-Ausfallrisiko, Bonitätsrisiko, Emittentenrisiko etc. – Ich kann dir davon nur abraten.“


Banken im Wandel

Ich nehme wahr, dass Banken immer mehr Anlagegeschäft machen wollen und immer weniger Service bieten. Viele Bankfilialen werden geschlossen. Kunden werden, gefühlt, ausgequetscht und man buhlt um die letzte Haftpflichtversicherung etc.


Wie ist die aktuelle Lage der Banken zu bewerten?

Mike: Im genossenschaftlichen Sektor ist es so, dass immer mehr Filialen geschlossen werden, weil sie sich wirtschaftlich nicht rechnen, das stimmt. Der Kostendruck entsteht durch Onlinebanken und Kunden, die dorthin abwandern. N26 ist beispielsweise zu einem ernstzunehmenden Thema geworden, genau wie die ING oder DKB.

Einige Kunden kommen nun zurück, da ihnen die Vorteile eines direkten Ansprechpartners vor Ort jetzt bewusst werden. Es gibt auch durchaus negative Erfahrungen mit Onlinebanken, die dazu führen, dass Kunden ihre Entscheidung revidieren. Banken vor Ort haben einen kurzen Dienstweg. In der Filiale ist man zuvorkommend und hilft auch mal kurzfristig mit einer Kontoüberziehung etc. Bei der Onlinebank ist man eine Nummer ohne Gesicht.

Die Sparkassen halten etwa knapp ein Drittel aller mittelständischen Unternehmen als Kunden. Dadurch können sie Nähe zeigen, gerade in Zeiten einer Krise. Das Interesse der Bank ist natürlich klar, aber man will kein schlechtes Image kreieren, indem man Unternehmen einfach Pleite gehen lässt. Man zeigt sich eher kulant mit Tilgungs- und Ratenaussetzung, mit Überziehungslinien, die zur Vorfinanzierung von Soforthilfen benutzt werden. Es gibt diverse Möglichkeiten und wer aktuell Probleme hat, sollte durchaus mit seiner Bank sprechen.


Tricks der Banken in der Anlageberatung

Was ist dran an der Vermutung, vermehrt aufkommend in den letzten Jahren, dass in regelmäßigen Abständen, die Portfolien oder Depots und Fonds getauscht werden? Bei einigen meiner Mandanten konnte ich klar sehen, dass alle 14 bis 18 Monate das Depot komplett neu ausgerichtet wurde. Ist das Standard?


Werden aktive Fonds bewusst umgeschichtet, um mehr Gebühren zu kassieren?

Mike: Das kommt durchaus vor. Es kommt immer auf die Bank und auch auf den Kunden selbst an. Man kann es nicht verallgemeinern. Eine häufige Umschichtung entwickelt sich natürlich nur zugunsten der Bank. Es passiert leider viel zu häufig, dass dem Kunden gesagt wird „Es ist gut gelaufen, aber wir haben jetzt hier noch was Besseres. Versuche das am besten. Das hat gut performt in der Vergangenheit.“ Es wird auch oft versucht, mit Charts zu beeinflussen, die so gestrickt sind, wie die Bank oder Fondsgesellschaft den Fonds oder die Anlage präsentieren möchte.

Sven: Du musst die Zahlen nur lang genug foltern, dann sagen sie irgendwann die Wahrheit.

Vergangenheitswerte sind kein Maßstab für zukünftige Renditen. Nur, weil in der Vergangenheit etwas gut gelaufen ist, heißt das nicht, dass es auch in Zukunft laufen wird. Ein gutes Beispiel ist hier der Ethna-Aktiv Fonds. Einst in den Medien gehypt, ist es aktuell der schlechteste Fonds, den man kaufen kann. Ein Paradebeispiel für die Tatsache, dass Vergangenheitswerte nichts über die Zukunft aussagen.


Worauf ist bei einer Anlageberatung, aus Sicht eines Bankers, zu achten?

Mike: Du solltest immer vorsichtig und vorbereitet sein, wenn du zu einer Anlageberatung gehst, egal ob bei einer Bank oder einem freien Vermittler.

  • Du solltest dir vorher darüber klar werden, was das Ziel der Beratung ist. Wenn das Ziel nicht klar definiert ist, kann es wirklich passieren, dass einem Produkte verkauft werden, die man vielleicht nicht braucht.

  • Bei einem Kreditgespräch kann es helfen, ein Gegenangebot einer anderen Bank vorzulegen, dessen Prozent günstiger ist. Vielleicht ist der Berater aus Kulanz bereit, mitzuhalten.

  • Unterschreibe nie direkt vor Ort. Schlafe eine Nacht darüber und prüfe nochmal das Für und Wider.

  • Achte in der Anlageberatung darauf, dass die rechtliche Seite, auch wenn sie eher langweilig ist, nicht zu kurz kommt. Die Wertpapierhandelsdaten und das Risikoprofil sollten richtig erfasst werden. Du solltest natürlich auch prüfen, warum passt der Fonds oder die Anlage genau zu mir?

  • Die Dokumentation der Anlageberatung sollte alles wiedergeben, was besprochen wurde. Lasse die Freitextfelder ausfüllen, besonders mit den Aspekten, mit denen dich der Berater vom Kauf überzeugt. Damit hast du eine Grundlage im Falle eines Rechtsstreites.

  • Wenn eine Anlage schlecht läuft, im Bereich geschlossene Beteiligungen, setze dich mit der Verbraucherzentrale in Verbindung. Es gibt durchaus gute Chancen, von der Bank Geld zurückzubekommen.

Das war ein interessanter Einblick in die Interner von Banken und zu deren Vorgaben und Vorgehensweisen bei Anlageberatungen. Ich danke dir, Mike, für das Gespräch und deine Offenheit.


Vielen Dank auch an dich, für die Zeit, die du dir genommen hast. Wenn du Hörer meines Podcasts bist, freue ich mich über eine Rezension bei iTunes und über dein Teilen und Empfehlen meiner Kanäle. Du bist herzlich willkommen in meiner geschlossenen Facebook-Gruppe „Vermögensaufbau abseits der Masse“, wo wir uns näher zum Thema austauschen können und mehr zu mir findest du auch auf Instagram.

Nur wer sich mit dem Thema Finanzen auseinandersetzt, kann in Zukunft weisere Entscheidungen treffen und seinen Vermögensaufbau vorantreiben. Dabei möchte ich helfen. Wir müssen unabhängiger von Versicherern und Banken werden. Ich hoffe dabei auf deine Unterstützung, denn nur so kommen wir dem Ziel näher. Ich bedanke mich und hoffe, der Beitrag hat dir weitergeholfen. Bis zum nächsten Mal,

dein Sven Stopka.